„Hallo Emma, schön Dich zu sehen. Ich bringe Dich zu Deinem Tisch, und dann geht es auch bald los. Ist es Dein erstes Mal?“
Sie grübelte, wie oft sie in den letzten Monaten auf Blind Dates gegangen war, um den Mann fürs Leben zu finden. Besser gesagt die Version 2.0. Aber das konnte Mario, der Inhaber Ihres Lieblingsrestaurants “Caldo dal Forno”, nicht wissen.
Bei Ihrem letzten feucht-fröhlichen Abend mit ihren Mädels hatte sie auf einem Flyer von der “Blind-Date-Night” gelesen, die vierteljährlich stattfand. Komisch, dass sie davon nie gehört hatte. Ihre Freundinnen Jenny und Sarah waren es, die sie letztlich angemeldet hatten. “Du brauchst ganz dringend wieder einen Mann in Deinem Leben.” Sie hörte noch immer die hohen, sich von zu viel Wein überschlagenden Stimmen.
Die Tische waren scheinbar anders angeordnet. Lediglich die Tischnummern waren ausgeleuchtet. Ansonsten war der große Raum dunkel. Am Tisch angekommen, sank sie in den Stuhl, der ihr heute auch nicht das Gefühl von Gemütlichkeit gab. Ihr war eher nach Flucht. Aber bevor sie sich jetzt in ihrer ohnehin trotteligen Art stolpernd und womöglich fallend den Weg nach Draußen suchte, entschloss sie sich doch sitzen zu bleiben.
Ihre Hand berührte den Metalltisch, den festgeklebten Papierschnipsel mit der Tischnummer Drei. Ausgerechnet die Drei. Eine Primzahl. Ohne irgendeinen Bezug zu den Nachbarzahlen. Die Zwei und die Vier so schön und grade. So zusammengehörig. Die Drei war optisch merkwürdig und ganz allein. Wenn Primzahlen Gefühle hätten, würde sich die Drei so fühlen wie sie jetzt. Da war sie sich ganz sicher.
Sie glaubte eine Mischung aus Salbei und Weißwein zu riechen. Nur ganz leicht. Also ob jemand kurz die Küchentür des Restaurants geöffnet hätte. Saltimbocca alla Romana. Das war ihr Gericht. Schon seit dem ersten Besuch im “Caldo dal Forno”. Inzwischen fragte man sie hier schon gar nicht mehr, was sie zum Fonterutoli Chianti Classico essen wolle. Heute war auch hinter dem Bullauge der sonst ständig schwingenden Küchentür nichts als Dunkelheit.
Während sie nur leise Geräusche vernahm, sah sie im Schummerlicht der Drei ihre Hand an. Wie blöd muss man eigentlich sein, sich für ein solches wortwörtliches Blind Date extra die Fingernägel zu lackieren? Fast musste sie lachen. Zumindest hatte die Dunkelheit einen Vorteil: Niemand sah ihren Ehering. Der Ring, von dem sie dachte, er würde sie glücklich machen. Natürlich nicht der Ring an sich, sondern, der Mann, der dahintersteckte. Die Version 1.0. Inzwischen hatte sich der Ring, den sie von Thomas („Aber alle sagen Thommy“ *Zwinkerzwinker mundverzieh*) vor fünf Jahren bekommen hatte, fast schon symbolisch-schmerzhaft in ihrem Finger verewigt. Aber morgen, morgen würde sie auf Ihre Freundin Jenny hören und mit ihr und einer Zange versuchen, dem endlich ein Ende zu bereiten. Für heute war es egal.
Sie setzte sowieso keine große Hoffnungen in diese Veranstaltung. Was für Männer würden bei so einer Veranstaltung wohl mitmachen? Wahrscheinlich nur potthässliche, die sonst niemanden abbekommen würden. Oder noch bei Mutti wohnen. Solche, mit denen sich sonst nie eine Frau unterhalten würde. Männer wie…Primzahlen.
Eine leise Ankündigung aus den Lautsprechern. Eine Erklärung der Spielregeln. Als ob es ein Bingo-Nachmittag und sie zum Spaß dort wäre. Man würde nun beginnen, die Männer nacheinander zu den Tischen zu führen. Gleich folgte garantiert die gleiche Leier wie immer. “Und was machst Du so?” Sie würde so gern mal “Hier sitzen und blöde Fragen von Männern beantworten, die eigentlich nur ein kurzes Vergnügen suchen, um dann zu ihrer Frau zurückzukehren.” antworten. Aber dafür war sie noch nicht frustriert genug.
Sie hörte leise, vorsichtige Schritte. Sie vernahm den leichten Duft eines angenehmen Parfums. Der Stuhl gegenüber wurde leicht zur Seite geschoben.
Noch bevor sie ein Wort sagen konnte, hört sie eine angenehme Stimme leise seufzen: “Drei. Natürlich, was auch sonst, als eine Primzahl…”.
Dieses Bild war eine Herausforderung. Danke Maddy, dass Du mir zugetraut hast, eine Geschichte zum Bild zu spinnen. Vielleicht magst Du mir ja mal die wahre Geschichte dahinter verraten.
Falls Du jetzt Lust bekommen hast mir ein Foto zu schicken, zu dem mir vielleicht eine Geschichte einfallen könnte, dann schicke es mir bitte an: hallo@andreaschristiansen.blog.
4 Kommentare
Danke für diese tolle Geschichte!! Sie liest sich wunderbar leicht und ich war sofort mittendrin. Echt toll!
Hätte gerne weiter gelesen.
Ich finde dein Schreibstil brüllt förmlich nach einem Buch… einer Geschichte, die etwas weiter geht vllt.
Hallo Katrin. Ganz lieben Dank für Dein Feedback. Es freut mich natürlich, wenn die Geschichte etwas auslöst. Mir macht der Prozess des Schreibens total viel Spaß. Bei dem ersten Bild (“Vier gewinnt”) war sofort eine Geschichte da. Bei diesem Bild war es wirklich Arbeit. Ein Thema zu finden, eine Geschichte zu stricken und sie nach und nach zu erweitern, zu verändern. Selbst fünf Minuten vor der Veröffentlichung habe ich noch etwas hinzugefügt. Ich hätte tatsächlich Lust mich mal an einem Buch zu versuchen. Ich habe aber das Gefühl, mir fehlt dazu ein ganzer Koffer voller Handwerkszeug. Und mir den drauf zu schaffen… Das ist wie mit dem Zeichnen. Ein wenig rumkritzeln ist mal ganz nett Aber zu mehr reicht es dann nicht. Ich würde es nicht kategorisch ausschließen, aber Momentan fehlt mir dafür die nötige Energie. Und die Zeit.
Bin auch voll dabei gewesen…
Eigentlich lese ich garnicht, denn Bücher haben mich noch nie interessiert. Deine Geschichte ist fesselnd und gut nachvollziehbar… schade das sie so schnell zu ende ist. Könnte mir sogar vorstellen eine Fortsetzung davon zu lesen.
Dankeschön. 🙂 Sollte ich mal ein passendes Bild bekommen, kann ich da ja vielleicht wirklich anknüpfen.